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Abenteuer am Nil

VonRedaktion

Okt 18, 2022

Die Mitglieder der Expedition auf der Cheops-Pyramide, Aquarell, Johann Jakob Frey und Max Weidenbach, Oktober 1842, © Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett

Im Berliner Neuen Museum erwartet die Besucher eine spannende Reise an die Ufer des Nils vor fast 200 Jahren. Eine Forschungsreise entlang des Nil war in dieser Zeit ein abenteuerliches Unterfangen. In Gluthitze, bei Sandsturm und malträtiert von Fliegen, Flöhen und Heuschrecken exakte Dokumentationen der antiken Hinterlassenschaften der alten Kulturen im Niltal anzufertigen, stellte eine große Herausforderung dar.

Widderstatue des Gottes Amun im Museum,© Staatliche Museen zu Berlin

1842 bricht eine preußische Expedition an den Nil auf, um die antiken Denkmäler der ägyptischen Kultur für die im Entstehen begriffene Wissenschaft der Ägyptologie zu dokumentieren und Objekte für das Neue Museum zu sammeln. Seit Juni 1840 ist Friedrich Wilhelm IV. König von Preußen. Selbst
zeichnerisch begabt interessiert er sich für Wissenschaft, Kunst und die entstehende Ägyptologie. Er beauftragt den jungen Ägyptologen Richard Lepsius, eine Expedition nach Ägypten zu organisieren. Mit klaren wissenschaftlichen Zielen, einem Empfehlungsschreiben und Geschenken des Königs macht sich Lepsius zusammen mit weiteren Experten 1842 auf den Weg.

In Ägypten regiert zu dieser Zeit Mehmet Ali Pascha, der nach Unabhängigkeit von den osmanischen Machthabern in Konstantinopel strebt und Verbündete sucht. Eher nicht bei den Kolonialmächten Frankreich und England, die ihren Einfluss auf Ägypten vergrößern wollen. Die kleine europäische Macht Preußen ist ihm dagegen sehr willkommen. Im September 1842 erteilt er der Expedition eine Sondergenehmigung für die Ausgrabungen und die Ausfuhr von Antiken.

V.li.: Anfertigen eines Papierabdrucks im Tempel von Dakke/ Echnaton und Nofretete im Erscheinungsfenster, Amarna, Lithographie, © Lepsius, Denkmaeler III, 103,

Die Aufgabe der Expedition ist klar. Antike Texte und Bilder sollen kopiert werden, um als zuverlässige Basis der neuen Wissenschaft zu dienen. Lepsius stellt ein Team aus Spezialisten zusammen und setzt verschiedene Techniken der Dokumentation ein. Moderne Hilfsmittel wie Messinstrumente und optische Geräte unterstützen die Teammitglieder bei der anstrengenden Arbeit und ermöglichen größere Genauigkeit.

Auf die abenteuerliche Reise begibt sich Lepsius zusammen mit zwei Architekten, fünf Zeichnern, einem Gipsformer und einen Geistlichen. Im September 1842 treffen sie in Alexandria
ein, das sich gerade zu einer internationalen Seehandelsmetropole und zum Magnet
für zahlreiche ausländische Händler und Reisende entwickelt. Das antike Alexandrien – Herrschersitz der Ptolemäer seit der Gründung 331 v. Chr. – ist bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert zu Ruinen
zerfallen und weitgehend verloren.

Gisa

Der Pharao Osorkon vor dem Gott Chons, Leder, gefärbt,
© Staatliche Museen zu Berlin, / Sandra Steiß

Am 9. November 1842 siedelt die Expedition von Kairo nach Gisa in ein Zeltlager über. Auf diesem Friedhof arbeitet das Team drei Monate und dokumentiert 106 Gräber. Fast alle stammen aus dem Alten Reich (ca. 2600–2200 v. Chr.) und liegen am Fuß der großen Pyramiden der Könige Cheops, Chephren und Mykerinos. Erstmals wird ein Gesamtplan des riesigen Areals erstellt. Die Zeichner erfassen Wand für Wand die Dekorationen der Gräber zu den Raumplänen. Diese Art der Dokumentation ist neu und bis heute Standard für Grab- und Tempeldekorationen.

Theben
In Theben begegnen die Expeditionsteilnehmer erstmals den riesigen Tempelbauten des Neuen Reichs (etwa Tausend Jahre vor Christi) . Diese erstrecken sich Kilometerweit auf beiden Seiten des Nil. Lepsius ist sich der großen Bedeutung des „100-torigen“ Theben bewusst. Sieben Monate harte Arbeit liegen vor ihnen, um die gewaltige Denkmälerdichte dieses Zentrums der ägyptischen Kultur aufzunehmen. Diese Leistung ist umso höher zu bewerten, als viele Baudenkmäler noch meterhoch mit Sand bedeckt waren und erst freigelegt werden mussten.

Nach drei Jahren und über 6500 km entlang des Nil treten die ersten Teilnehmer im Juli 1845 die Rückreise nach Europa an. Alle haben die abenteuerliche und entbehrungsreiche Reise gut überstanden.

„Faium. Nachteule nach der Natur“, Aquarell, Johann Jakob Frey, 1843,
© Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

Lepsius bleibt länger in Ägypten, um den Rücktransport des Gepäcks zu organisieren. Am 1. Oktober 1845 verlässt auch er Ägypten mit einem persönlichen Dankesbrief von Mehmet Ali Pascha
an Friedrich Wilhelm IV, der die Ausfuhr der Fundstücke als persönliches
Geschenk des Pascha an den preußischen König legalisiert.

180 Jahre Forschung

Bis heute sind die Materialien der preußischen Expedition Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Lepsius erahnt oft nur die Bedeutung vieler mitgebrachter Objekte – heute kennen wir ihre Einzigartigkeit. Modernste zerstörungsfreie Analysemethoden erbringen neue Erkenntnisse über verwendete Materialien und eingesetzte Technologien. Die Archivmaterialien dokumentieren einen Zustand der Monumente vor 180 Jahren und erzählen vom Beginn der Erforschung der Kulturen im Niltal.

Die Sonderausstellung im Neuen Museum zeichnet den Weg der Expedition durch Ägypten und Nubien nach, begleitet den Vorgang vom Sammeln zum Publizieren und führt die gesammelten Materialien, die heute auf verschiedene Berliner Institutionen verteilt sind, erstmals wieder mit den Objekten aus dem Ägyptischen Museum zusammen. Dazu gehören Zeichnungen und Abklatsche aus der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Skizzen aus Kunstbibliothek, Kupferstichkabinett und Privatsammlungen, Objekte aus der Byzantinischen Sammlung, Mineralien, Fossilien, Flora und Fauna aus dem Museum für Naturkunde.

Ein überaus lehrreicher, spannender und unterhaltsamer Spaziergang durch die Kulturgeschichte.

Abenteuer am Nil. Preußen und die Ägyptologie 1842–45

noch bis 7. März 2023

Museumsinsel Berlin, Neues Museum, Bodestraße, 10178 Berlin

www.smb.museum

Von Redaktion