Ferdinand Hart Nibbrig: In den Dünen von Zandvoort, 1891/92, Öl auf Leinwand, Singer-Museum Laren
Von Ronald Keusch
Herausragende und in Deutschland teilweise noch nie gezeigte Werke des Impressionismus aus Holland sind noch bis zum 22. Oktober im Potsdamer Museum Barberini zu bewundern.
Einmal mehr präsentiert das Spitzenmuseum für die Malerei des Impressionismus eine sehenswerte und für das breite Publikum wie auch die Fachwelt spannende Ausstellung. „Eine solche Ausstellung hat es so in dieser Form in Deutschland noch nicht gegeben“, betont Direktorin Westheider. „Die Bilder sind alle in Holland entstanden, aber die übergroße Mehrzahl ist von den Themen und der Art und Weise durch den französischen Impressionismus beeinflusst.“ Es zeigt sich sehr anschaulich die internationale Ausstrahlung des Impressionismus. Und außerdem wird deutlich, wie durch den französischen Einfluss die Künstler zu einer ganz eigenen holländischen Form des Impressionismus angeregt und inspiriert wurden.
Insgesamt werden 110 Gemälde von 39 Künstlern gezeigt. Chefkurator Michael Philipp macht darauf aufmerksam, dass von ihnen in Deutschland nur drei Maler durch Ausstellungen und in Sammlungen bekannt sind. Neben dem berühmten Vincent van Gogh noch die Maler Piet Mondrian sowie Johan Barthold Jongkind, „der von dem Star der französischen Impressionisten Claude Monet so gelobte Marine-Maler.“ Dagegen wurden die anderen 36 Künstler in Paris, London und in den USA gekauft, gesammelt und ausgestellt und sind in Deutschland nahezu unbekannt. Den Ausstellungsmachern ist es dennoch gelungen, bis auf ein Gemälde aus einem Museum in Washington alle Werke für diese Ausstellung von 23 Leihgebern – fast alle aus den Niederlanden – zu erhalten, so zum Beispiel dem Kunstmuseum Den Haag, dem Rijksmuseum und dem Stedelijk-Museum Amsterdam oder dem Singer-Museum Laren.
„Einige kleinere Museen haben ihren Saal mit Werken des 19. Jahrhunderts weitgehend geleert. Die Kronjuwelen sind jetzt hier bei uns in Potsdam zu sehen“, so vermeldet stolz Chefkurator Philipp. Außerdem sei mit der Ausstellung in Potsdam die in Fachkreisen mitunter gestellte Frage, ob es denn einen Impressionismus in Holland gegeben habe, mit dem gewählten Titel klar und eindeutig beantwortet: „Wolken und Licht. Impressionismus aus Holland“ !
Für den regelmäßigen Besucher des Barberini-Museums sind die Unterschiede im Vergleich zu den Sammlungen französischer Impressionisten von Hasso Plattner, Unternehmer und Kunstmäzen, schon deutlich. Während bei den französischen Impressionisten der lockere Pinselstrich und der Einsatz der Farbe dominierten, blieb für die holländischen Maler noch lange die Landschaftsmalerei der Alten Meister des 17. Jahrhunderts der Maßstab. Als französische Künstler in den 1830er Jahren im Wald von Fontainebleau das Malen in der freien Natur begannen und die Erfahrung des Moments zum Gegenstand ihrer Bilder machten, schufen sie die Grundlagen für die künstlerische Bewegung des Impressionismus. Nur wenig später, Ende der 1840er Jahre, fingen auch Maler in den Niederlanden an, en plein air, also unter freiem Himmel, zu arbeiten. Die Künstler ließen idealisierende oder romantische Landschaftskompositionen hinter sich und zielten auf eine realistische Naturdarstellung, so beschreibt das Museum Barberini die Impressionismus-Entwicklung. Es finden sich also neben Unterschieden auch viele Gemeinsamkeiten. Da ist ganz vorn der Mut, die damals noch nicht eingeführte Malerei an der freien Luft zu praktizieren. Gemeinsamkeiten auch bei der Motivwahl, denn da waren in den holländischen Bildern Landschaften ohne „erzählerischen Inhalt“ und ohne „pittoreske Momente“ zu sehen, so beschreibt es Philipp. Dieser Trend wird mit dem Titel der Ausstellung mit den Worten „Wolken und Licht“ gut beschrieben.
Bei einem Rundgang durch die Ausstellung kann sich der Besucher dann auf die Impressionisten-Werke von drei Malerschulen freuen, die in unterschiedlichen Zeit-Etappen in den Niederlanden die Grundidee des Impressionismus vereint haben.
Zugleich wird auch die Entwicklung der holländischen Landschaftsmalerei von 1850 bis 1910 aufgezeigt. Es bildete sich die Haager Schule heraus mit Malern wie Willem Roelofs, Johan Hendrik Weissenbruch, Anton Mauve oder Jacob Marins. Ein Motto von ihnen lautete: „Geht in den Wald, malt, was ihr seht, orientiert euch an der Natur und nicht an anderen Malern und deren Stil“. Besonders typisch für diese Malerschule waren der tiefe Horizont und der weite Himmel mit eindrucksvollen Wolkenbildern. Diese panoramaartigen Gemälde kommen ohne Handlung aus und ignorieren die Veränderungen der modernen Zeit.
Auf die Haager Schule folgten die Amsterdamer Impressionisten in den Jahren um 1880. Sie entdeckten die Stadt mit ihrem quirligen Alltagsleben als Ort für ihr künstlerisches Schaffen. Maler wie George Hendrik Breitner und Isaac Israels suchten Motive in ihrer Umgebung, auf belebten Straßen und Plätzen, in Kaffeehäusern, aber auch in Gärten und am Strand als Orte der Entspannung und der Freizeit.
Und schließlich ließ sich die nächste Generation der holländischen Maler ab 1890 vom Pointillismus inspirieren, einer Stilrichtung, bei der Farbpunkte zu Flächen zusammengesetzt werden. Die Bilder werden geometrisch komponiert und der gesamte Farbeindruck ergibt sich erst im Auge des Betrachters, der das Gemälde aus einer gewissen Distanz betrachtet. Viele Maler dieser Zeit, wie Jan Toorop, Ferdinand Hart Nibbrig, Piet Mondrian in seinem Frühwerk und Vincent van Gogh in seinem Spätwerk setzten sich intensiv mit der pointillistischen Technik auseinander und schufen bedeutende Werke.
Für die nach 1905 entstandenen Landschaftsbilder in denen Licht und Farbe besonders betont wurden, fand sich dann der Begriff Luminismus, Mit diesen Richtungen wurden in den Niederlanden Übergänge zur Entwicklung moderner Malerei geschaffen. Es ging nicht mehr um die Darstellung der Wahrnehmung der Natur, sondern um den Ausdruck individuellen Empfindens des Künstlers.
Mit dieser einmaligen Ausstellung hat es das Team um Kurator Philipp geschafft, dem Publikum einen beeindruckenden Parcours durch die schillernde Welt des Impressionismus in den Niederlanden zu präsentieren. Auf der Pressekonferenz wurde die Frage gestellt, ob angesichts dieser erstmaligen so umfangreichen Ausstellung mehr Kunstfreunde aus Holland im Barberini erwartet werden. Direktorin Westheider hat daran gar keinen Zweifel: Die Impressionisten sind ein großer Anreiz, Potsdam zu besuchen, und dann vielleicht gleich noch einen Spaziergang durch das Holländische Viertel zu unternehmen oder Sanssouci zu entdecken.
Quelle: www.keusch-reisezeiten.de