Foto: Jan Windzus
Von Klara Berger
Die an der Komischen Oper Berlin traditionelle konzertante Operette zur Weihnachtszeit hat nach Oyayaye /Fortunios Lied (2022) und den „Banditen“ (2023), auch in diesem Jahr einen bis dato quasi unbekannten „Offenbach“ ausgegraben und vergnüglich in Szene gesetzt. Mit Robinson Crusoe folgt nun mit dem hierzulande kaum gespielten Werk aus der Feder des deutsch-französischen Komponisten und Menschen-Durchschauers Jacques Offenbach (1819 . 1880), ein kurzweiliges Werk, mit dem er wieder einmal ebenso banale wie einleuchtende Erkenntnisse vermittelt.
Zwar basiert die Opéra-comique auf Daniel Defoes Roman-Welterfolg, doch Offenbachs Fokus liegt auf Robinson, dem jugendlich ungestümen Sohn des Hauses Cruseo, der sehnlichst aus dem spießbürgerlichen Leben ausbrechen möchte– von Katrin Kath-Bösels mit herrlich ausladenden Biedermeier-Kostümen, Krinolinen, Spitzen. Bommeln und kunstvoll drapierten Frisuren illustriert.
Ohne Wissen der Eltern (Karolina Gumos und Tom Erik Lie, der mit Bommelmütze und Schlafrock gar erbaulich aus der Bibel liest) macht er sich auf den Weg, um die Freiheit zu suchen, um dann in der exotischen Ferne schließlich festzustellen: Zuhause ist es eben doch am schönsten!
Nach sechs Jahren Abenteuerfahrt weiß Robinson (Agustín Gómez mit authentischem jugendlichen Überschwang und berückendem tenoralen Timbre), dass nicht nur räuberische Piraten, sondern auch die Inselbewohner ihm den schönen Traum von der weiten Welt zur Hölle machen können und die Gefahr besteht, beim Kannibalen-Koch im brodelnden Kessel zu landen (herrlich grotesk Christoph Späth). Zum Glück ist da Freitag (Virginie Verrez mit edlem, intensivem Mezzo) Der schwärmt nicht nur des Nachts gemeinsam mit Robinson für die Liebe, sondern ist außerdem besser gewappnet, um auf einer Insel am Orinoco zu überleben. Aber Rettung naht: Die Lieben aus der Heimat, die angebetete Edwige (Miriam Kutrowatz mit hinreißendem Koloratur-Sopran), Freund Toby (Buffotenor Andrew Dickinson) und die kecke Dienerin Suzanne (Sarah Defrise mit mühelosem Sopran und komödiantischen Eifer) sind Robinson aus Bristol nachgereist, wurden von Piraten verfolgt und sind – wer hätte das gedacht – exakt auf Robinsons Insel gestrandet. Wo sich alsbald musikalisch vortrefflich untermalte und sängersch beeindruckende muntere Szenen abspielen, natürlich mit allerseits befriedigendem happy end.
Kommentiert wir das Ganze höchst authentisch von Offenbachs verschollener Schwester Jacqueline (Andreja Schneider als das verblüffende Ebenbild ihres Bruders – ein maskenbildnerisches Meisterstück).
Jacques Offenbachs Musik wird nur zu gerne als „leichte Muse“ abgetan. Dabei finden sich in Robinson Crusoe zahlreiche Stellen, die seine meisterhafte Kompositionskunst belegen: Dazu zählen die großartig instrumentierte „Sea Symphony“, das herrlich-makabre Lied vom Schmortopf sowie Edwiges Walzer in der Opferungszeremonie, der mit höchstem Anspruch in bester „Lucia di Lammermoor“-Tradition daherkommt und im wahrsten Sinne des Wortes aufhorchen lässt. Natürlich perfekt und mit viel Spielfreude getragen vom Orchester der Komischen Oper, das unter Leitung von Adrien Perruchon zur klanglichen Höchstform aufläuft und last, but not least der beschwingte Matrosen-Chor, der am Ende mit seinem stimmgewaltig geschmetterten “Saufen, saufen, endlich saufen!“ die meisterhafte Offenbachiade zu aller Zufriedenheit ausklingen lässt.
Wie nun schon seit vielen Jahren, hat dieser weihnachtliche Spaß Seltenheitswert und wird leider nur zwei Mal aufgeführt. Ein großer Aufwand, den die Komische Oper sich zur Freude ihrer Fans jedes Jahr leistet. Wollen wir hoffen, dass das auch in den nun beginnenden mageren Jahren des großen Kultur-Sparens erhalten bleiben kann.
Robinson Crusoé
Opéra-comique in drei Akten [1867] von Jacques Offenbach
Libretto von Eugène Cormon und Hector-Jonathan Crémieux
Premiere semikonzertant am 22. Dezember 2024
Berliner Erstaufführung