„Sonne. Quelle des Lichts in der Kunst“ – so heißt die spannende neue Ausstellung im Museum Barberini in Potsdam
Ausstellungsansicht Sonne. Die Quelle des Lichts in der Kunst© VG Bild-Kunst, Bonn 2023, Photo: David von Becker
Von Ronald Keusch
Mag die Rolle der Sonne bei der Diskussion der Weltklima-Rettung umstritten sein, in der Malerszene ist sie es nicht. „Sonne. Die Quelle des Lichts in der Kunst“ – so der Titel der am 25. Februar eröffneten Ausstellung im Museum Barberini in Potsdam. Nun ist es für den Kunstinteressierten zunächst wenig überraschend, dass sich das Spitzenmuseum für Malerei der Impressionisten mit seinem Mäzen Hasso Plattner und dessen einmaliger Sammlung einmal mehr dem Thema der Malerei des Lichts widmet. Denn Farbe und Licht spielen bei den Impressionisten in ihren Motiven aus der Natur und in Landschaften eine entscheidende Rolle. Aber die deutsche Hochburg für Impressionismus hat mit dieser Ausstellung den Bogen viel weiter gespannt.
Caspar David Friedrich; Weidengebüsch bei tiefstehender Sonne; 1832–1835; Öl auf Leinwand; Freies Deutsches Hochstift / Frankfurter Goethe-Museum, Frankfurt am Main © David Hall – ARTOTHEK (li). William Turner; Mortlake Terrace; 1827; Öl auf Leinwand; National Gallery of Art, Washington, © Courtesy National Gallery of Art, Washington (re)
Gemeinsam mit dem Musée Marmottan Monet in Paris wurde beginnend schon 2018 ein faszinierendes wie ehrgeiziges Ausstellungs-Konzept gestartet. Als erste Ausstellung untersucht sie die Sonne in der Kunst von der Antike bis zur Gegenwart. Den Ausgangspunkt lieferte, wie kann es bei diesen beiden Häusern anders sein, Claude Monets Gemälde „Impression, Sonnenaufgang“ aus dem Jahr 1872, das der Maler-Richtung des Impressionismus vor 150 Jahren seinen Namen gab.
Direktorin Westheider will auf der Eröffnungs-Pressekonferenz ihre große Freude über diese berühmte Leihgabe aus Paris nicht verbergen. Das Bild wird nur selten ausgeliehen, wie der anwesende Direktor Erik Desmaziéres des Musée Marmottan Monet aus Paris bestätigte. Mit höchsten Sicherheitsvorkehrungen wurde es im Barberini Museum angeliefert. Aus aller Welt kommen seit Jahren die Besucher, um dieses Bild in Paris zu sehen. Nunmehr steht auf der Website des Pariser Museums eine Entschuldigung – das Bild ist derzeit in Potsdam ausgestellt. „Und wir dürfen es acht Wochen behalten“, so plaudert Direktorin Westheider über dieses Bild, das Kunstgeschichte geschrieben hat.
Zusammen mit dem Schwester Bild, „Der Hafen von Le Havre am Abend“, das sich in der Sammlung von Hasso Plattner befindet, haben diese beiden Werke von Monet maßgeblich auch diese Ausstellungs-Kooperation inspiriert. Monet erfasste den Hafen von La Havre einmal in der Nacht als energiegeladenen Ort der Moderne, einmal am Morgen als erwachende Szene mit roter Sonne. Erik Desmaziéres erklärt nicht ohne Stolz: „Seit 2014 wissen wir fast alles über dieses Bild. Es wurde am 13.11.1872 gemalt, wir wissen, dass Monet in einem Hotel in seiner Heimatstadt Le Havre war, im 2. Stock, und ausgehend vom Stand der Sonne im Bild konnten wir errechnen, dass das Bild ungefähr um 8 Uhr morgens gemalt wurde.“
Doch dieser Welterfolg von Monet ist nur ein spekulativer Einstieg in eine außergewöhnlich sehenswerte Präsentation von Kunstwerken zu dem Menschheits-Thema Sonne. Die Ausstellung, die in veränderter Form vom Herbst 2022 noch bis zum Januar dieses Jahrs im Partnermuseum in Paris zu sehen war, umfasst insgesamt 130 Exponate.
Darunter sind nicht allein Gemälde, sondern auch Skulpturen, Druckgraphiken, Photographien und Videos. Der illustre Kreis der Künstler reicht von Otto Dix, Albrecht Dürer und Caspar David Friedrich bis zu Edvard Munch, Peter Paul Rubens und William Turner, um nur einige Maler zu nennen. Beeindruckend ist auch, dass die Zahl der Leihgaben aus über 60 Museen und Privatsammlungen kommen, von berühmten Kunst-Tempeln aus ganz Europa.
„Die Sonne ist ein Menschheits-Thema zu allen Zeiten, in allen Kulturen und in allen Medien“, erinnert Michael Philipp, der Chefkurator des Barberini Museums in einer Einführung. „Angesichts der Fülle des Materials ist es nicht einfach, dazu eine Ausstellung zu machen, das heißt, man muss auswählen.“ Niemand dürfe solche Objekte wie Sonnenstudios und Sonnenbrillen erwarten, keine Wissenschaftsgeschichte mit Teleskopen oder die Tiefen der Naturwissenschaften in der Astronomie. Andere Begrenzungen seien bedauerlich, denn in allen Kontinenten und Kulturen beginnend beim alten Ägypten der Pharaonen, in Indien, Japan, Lateinamerika, überall spielte die Sonne eine Rolle. Es würde schon räumlich die Kapazitäten der Ausstellungsräume und im Übrigen auch die Aufnahme-Kapazität der Besucher übersteigen, daher beschränkt sich die Ausstellung bewusst auf die europäische, sprich westliche Kultur. Das hat den Vorteil, so Philipp, sich mit ihr gründlicher zu beschäftigen und dabei auch nicht nur rein chronologisch vorzugehen, sondern die Ausstellung nach bestimmten Themen und Aspekte konzipieren zu können.
So entwickelt sich der Rundgang durch die Ausstellung zu einem spannenden Bummel der Sonnendarstellung in der Kunstgeschichte. Die Überschriften der Themenblöcke geben die Richtung vor, wie Kurator Philipp erläutert. Da steht am Anfang „Der unbesiegbare Gott. Personifikation“, beginnend in der griechischen und römischen Antike. Da war die Sonne ein Gott, zuerst Helios später Apollon, später Sol bei den Römern. Der Sonnengott eignete sich als Sinnbild für Herrscher. Kaiser und Könige wollten von seinem Glanz profitieren. Dazu werden dann Werke gestellt, wie ein Fresco aus Pompeji: „Der unbesiegte Gott“ und als Gegenstück ein Gemälde aus dem 16. Jahrhundert, das den Jesusknaben zeigt. Christus wurde bereits im 2. und 3. Jahrhundert als neue Sonne bezeichnet. Überraschende ikonografische Übereinstimmungen mit Strahlenkranz und Weltkugel.
Das nächste Themenblock lautet: „Sturz der Himmelsstürmer. Mythos.“ Der antike Mythos überliefert zwei Erzählungen von Selbstüberschätzung und Unbesonnenheit. Da gibt es die zwei bekannten Namen Ikarus und Phaethon. Ikarus, mit seinem Vater Dädalus auf der Flucht von der Insel Kreta, kam mit seinen Flügeln aus Federn und Wachs entgegen den Warnungen seines Vaters zu nahe an die Sonne und stürzte ab. Dasselbe gilt für Phaethon, den Sohn des Apollo, der mit dem Sonnenwagen des Vaters im jugendlichen Übermut zu nahe an die Erde kam, der Wagen verbrannte und Phaethon ertrank im Fluss Eridanus. Die Sonne war eine göttliche Macht, die nicht herausgefordert werden durfte. Neben dem wohl berühmtesten Werk von Peter Paul Rubens „Der Sturz des Phaëton“, gemalt 1604/1605, hängt ein Relief von Francesco di Simone Mosca, gen. Moschino, aus dem Bode-Museum, auf dem Phaethon aus dem Wagen stürzt. Daneben sind auf einem Gemälde von Ludwig von Hofmann „Klage um Phaethon“ die drei schmerzgebeugten Schwestern dargestellt. Ein Bild, das während oder kurz nach dem Ersten Weltkrieg entstand und symbolhaft die Toten betrauert, im Hintergrund geht wieder die Sonne auf.
Die Ausstellungsmacher um Direktorin Westheider und Chefkurator Philipp haben sich mit ihrem Team auch sehr viel einfallen lassen, um die überwältigende Fülle für all Interessierten gut aufzubereiten. Es ist ein vielfältiges Veranstaltungs- und Vermittlungsprogramm aufgelegt worden. Dazu zählen öffentliche Führungen und zwei öffentliche Einführungsvorträge. Außerdem findet jeden Sonntag um 10 Uhr ein Kunstfrühstück mit Führung statt. Das nahe Filmmuseum Potsdam präsentiert eine auf die Sonne-Ausstellung abgestimmte Filmreihe, darunter Kurzfilme und Spielfilme.
Selbstverständlich ist auch Barberini Digital eingerichtet. Die Barberini App ist der persönliche Begleiter vor, während und nach dem Museumsbesuch. Sie bietet Audioguides für den Museumsbesuch. In einer 360 Grad Tour kann die Ausstellung auf der Website des Museums digital erkundet werden. Virtuell lässt sich von einem Ausstellungsraum zum nächsten navigieren und durch die Zoom-Funktion jedes Bild im Detail betrachten (verfügbar ab Anfang März 2023). Doch bei aller bereitgestellten modernen Technik ist die folgende Lebensweisheit immer noch gültig: Live ist Life.
Quelle: keusch-reisezeiten.de