Am 18. Oktober 2024 feiert das ikonische Markenzeichen des Palastes 100-jähriges Jubiläum. Die Kickline, in der sich eine Reihe von Tänzerinnen völlig synchron bewegte, wurde 1924 mit 15 Girls zum ersten Mal in einer Revue von Erik Charell aufgeführt. Damit legten sie den Grundstein für eine Tanztradition, die noch hundert Jahre später das Highlight einer jeden Grand Show und das Markenzeichen des Berlner Friedrichstadt-Palastes ist – wenn auch progressiv und neu gedacht.
Collage Kickline (2024 FALLING | IN LOVE und 1957 Palast Revue 57) | Foto: Nady El-Tounsy (links), Walter Weitzer (rechts)
Erik Charell, ein vormaliger Assistent von Max Reinhardt sowie Tänzer und Choreograph, übernahm 1924 die künstlerische Leitung des Großen Schauspielhauses, dem Vorgänger des Palastes. Charell kreierte Revuen mit überwältigenden Showeinlagen nach amerikanischem Vorbild. Teil dieser Revuen waren weltberühmte Publikumsmagnete, darunter die britischen ‚John Tiller Girls‘, eine der erfolgreichsten Tanzgruppen zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Seine erste Revue ‚An Alle!‘ feierte am 18. Oktober 1924 Premiere und legte den Grundstein für eine hundertjährige Revue- und Tanztradition.
Im Vorfeld der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierte der jüdischstämmige Erik Charell, der zudem bekennend homosexuell war. Unter den Nazis wurde die Kickline kaum noch gezeigt. Nach Kriegsende und insbesondere ab 1947 im nun offiziell Friedrichstadtpalast genannten Haus wieder regelmäßig und seit der Eröffnung des neuen Palastes 1984 in der Friedrichstraße 107 lückenlos in jeder Grand Show.
Produzent und Intendant Dr. Berndt Schmidt sagt dazu: „Die Kickline ist ein immerwährendes ikonisches Highlight unserer Produktionen. Sie reißt auch heute noch die Gäste aus den Sitzen, weil wir Tradition und Moderne perfekt verweben. Seit 2023 können alle Geschlechter in der ehemaligen Girlreihe tanzen. Wer meint, dass unsere Kickline ein altmodisches Frauenbild transportiert, verkennt ihre Ursprünge. Diese Art Girltanz wäre in der Kaiserzeit undenkbar gewesen und war auch bei den militaristischen Nazis verpönt, da die Militärs ihren preußischen Stechschritt und ihre Uniformität, die auch jede Kickline auszeichnet, karikiert sahen. Zu Recht, denn 1924 war diese Tanzformation ein Zeichen der Freiheit und der Moderne. Also nichts, womit Nazis etwas anfangen konnten.“
Die längste Kickline in der Geschichte des Palastes wurde 1987 in der Koproduktion ‚Zu zweit‘ mit der Leningrader Music Hall anlässlich des 750-jährigen Stadtjubiläums von Berlin auf die Bühne gebracht. Mit beiden Ballettcompagnien entsteht mit 64 Tänzerinnen die längste Girlreihe der Welt im Ostteil Berlins, damals Berlin – Hauptstadt der DDR.
Mittlerweile besteht das ikonische Markenzeichen aus 32 Tänzerinnen, die sich in perfekter Gleichmäßigkeit bewege. Sie werfen die Beine in einem Winkel bis zu 180 Grad. Im Tanz-Vokabular nennt sich diese Bewegung ‚Battements‘. Sie bildet die Basis der Kickline.
Die Faszination der Kickline besteht in ihrer Gleichmäßigkeit. Doch nicht nur der Schwierigkeitsgrad, das Tempo und die Kostüme veränderten sich über die Jahrzehnte, auch ihre Diversität und Inklusivität. Seit 2023 ist die Kickline ganz nach dem Motto der Szene ‚WE ARE ONE‘ in der aktuellen Erfolgsproduktion FALLING | IN LOVE offen für alle Geschlechter. Wichtigste Voraussetzung: Die Beine können hoch genug geworfen werden.
Fotos: Video Standbilder Palast.Berlin