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„Rusalka“ in der Staatsoper zwischen Für und Wider

VonRedaktion

Feb 19, 2024

Rusalka (Christiane Karg) und der Wassermann (Mika Kares) Foto: Ingrid Müller-Mertens

von Katharina Zawadsky

Rusalka, ein Wasserwesen, hat sich in den unerreichbar scheinenden Prinzen verliebt. Um einen Platz in dessen Welt zu bekommen und ihm nah zu sein, gibt sie sogar ihre Sprachfähigkeit auf und verändert ihre Gestalt. Aber kann Rusalka gegen ihre Natur leben? Kann eine Liebe Bestand haben, in der man seine Identität verleugnen muss? Eine gute Frage, die in der neuesten Staatsopern-Produktion „Rusalka“ eindeutig mit NEIN beantwortet wird.

Der Schauplatz dank modernster Technik über 2 Etagen.
Bühnenbild /Kostüme: Monika Pormale. Foto: Ingrid Müller-Mertens

Rusalka ist die erfolgreichste Oper des tschechischen Komponisten Antonín Dvořák (1841-1904). Sie entstand im Jahr 1900 nach einem Libretto von Jaroslav Kvapil und wurde am 31. März 1901 am Prager Nationaltheater uraufgeführt. Mehrere Märchen und Mythen verwendete Librettist Jaroslav Kvapil als Quelle für sein psychologisch-symbolistisches Textbuch. Antonín Dvořáks opulent schillernde Partitur, die zu seinem ersten Opernerfolg wurde, ist ein wahres Meisterwerk und eröffnet eine Breite an Deutungsmöglichkeiten des vielschichtigen Stoffes, die Regisseur Kornél Mundruczós mit seiner ebenso sozialrealistischen wie kafkaesk surrealen Lesart teilweise bis an die Grenzen des Erträglichen auslotete.

Kornél Mundruzcó, der an der Staatsoper zuletzt die als »Uraufführung des Jahres« ausgezeichnete Oper »Sleepless« von Peter Eötvös in Szene setzte, betont die Aktualität des Stoffes: Für ihn lag es nahe, das Seelendrama einer Frau , das Fragen nach Identität und Körperlichkeit aufwirft in unsere Gegenwart zu holen und sie auch am Ort der Aufführung spielen zu lassen. Mit Blick auf die Skyline von Berlin und den Fernsehturm. Gesungen wird allerdings, wie üblich in der Sprache des Komponisten, also tschechisch. Obwohl es durchaus deutsche Übersetzungen des Librettos gibt.

Moldauelfen und Wassermann. Foto: Ingrid Müller-Merten

An der Berliner Staatsoper sieht der zunächst überraschte Zuschauer keine romantische Märchenwelt mit Zauberwald, Nixen, Wassermann und schönem Prinzen. Vor dem irritierten, wenn nicht schockierten Auge des Betrachters eröffnet sich eine total unerwartete Szenerie: Eine schäbige und ganz und gar nicht märchenhafte Berliner Erdgeschosswohnung . Hier lebt Rusalka als Außenseiterin (Christiane Karg) zusammen mit dem prollhaften Wassermann (Mika Kares) und den ziemlich schrillen Moldauelfen ( Regina Koncz, Rebecka Wallroth, Ekaterina Chayka-Rubinstein).

Christiane Karg und Anna Kissjudit. Foto: Ingrid Müller-Mertens

Sie sehnt sich danach, Liebe zu empfinden, eine menschliche Seele zu haben und ist bereit, gegen die eindringliche Warnung des Wassermanns, dafür mit Hilfe der Hexe Ježibaba ( Anna Kissjudit in Gestalt einer derben Berliner Hausmeisterin), ihre Unsterblichkeit aufzugeben und ihre Stimme zu opfern.

Als der Prinz in Gestalt eines hippen Penthouse-Bewohners (Pavel Černoch )der stummen Schönheit im Treppenhaus begegnet, verliebt er sich auf Anhieb und entführt Rusalka in sein luxuriöses Loft mit Dachterrasse. Aber als kalter, schweigsamer Fremdkörper passt sie so gar nicht in das wohlhabende Prenzlauer-Berg-Milieu. Von ihrer schweigsamen Fremdartigkeit irritiert, erliegt der Prinz den Verführungskünsten einer Anderen (Anna Samuil).

Christiane Karg und Pavel Černoch. Foto: Ingrid Müller-Mertens

Eine Verfehlung, die das traurige Schicksal von Rusalka und ihm besiegelt. Durch die Untreue ausgestoßen von Menschen- und Wasserwelt, bringt sie ihrem Liebsten den Tod und muss fortan ein Dasein als abstoßendes Ungeziefer fristen, verwandelt sich am Ende in einen gigantischen Horror-Wurm, der verdammt ist, auf ewig durch ein düsteres Kellerloch zu kriechen. Eine optisch und stimmlich schier atemberaubende Leistung von Christiane Karg, die zu Recht mit Bravos und Standing Ovations gefeiert wird.


Christiane Karg und Pavel Černoch. Bild Credits: Gianmarco Bresadola

Aber was wäre das Ganze ohne die von der ersten bis zur letzten Note faszinierende Musik Antonin Dvoraks. Dirigent Robin Ticciati und die Staatskapelle Berlin verzaubern mit einem warm timbrierten Klangteppich, der unter die Haut geht und für permanente Gänsehautmomente sorgt. Auch wenn die Inszenierung nicht unumstritten ist, im Jubel für die musikalische Interpretation war sich das Publikum einig.

Sopran-Diva Christiane Karg, die als Rusalka im Punk-Look, schwarzen Fingernägeln und am Ende mit Glatze singt, ist von der Produktion begeistert und sagte im B.Z.-Interview:

„Die Inszenierung ist ein Wagnis, einige Besucher werden sie wohl als Schocker empfinden. Aber ich denke, man kann das heutige Publikum ruhig fordern, die Oper neu zu denken. Und wenn nicht hier in Berlin, wo dann?“

Recht hat sie!

Am 22.Februar ist leider die letzte Vorstellung in dieser Spielzeit

Von Redaktion