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So ist das Leben – aber wirklich

VonRedaktion

Sep 5, 2023

Premiere des Tschechow-Stückes „Onkel Wanja“ im Schlosspark Theater mit Boris Aljinovic in der Titelrolle und Dagmar Bernhard als Jelena Foto © DERDEHMEL/Urbschat

Von Ronald Keusch

Ein weiteres Mal ein Paukenschlag unüberhörbar für die Berliner Theaterszene aus dem Schlosspark Theater in Berlin Steglitz. Am 2. September wurde eine glanzvolle Premiere mit dem Meisterwerk von Anton Tschechow „Onkel Wanja“ gefeiert. Das Premierenpublikum spendete begeistert Beifall.

Foto © DERDEHMEL/Urbschat

Für diese erfolgreiche und geglückte Inszenierung des Stücks „Onkel Wanja“ mit dem Untertitel „Ein Leben in vier Augenblicken“ gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Da ist zunächst das Stück selbst vom Altmeister Anton Tschechow. Es gehört zweifellos nicht allein zu den erfolgreichsten Stücken Tschechows, sondern ist auch eines der meistgespielten Stücke in der neueren europäischen Theatergeschichte. Es werden Menschen geschildert, die in ihrer Existenz gescheitert sind. Sie sind gefangen in ihrem Umfeld, aus dem sie nicht fliehen können. Sie haben keine Kraft und auch nicht den Mut, etwas zu verändern. So flüchten sie in Langeweile und Nichtstun. Tschechow malt ein zeitloses Porträt der Gesellschaft, das ein internationales Publikum damals wie heute anspricht.

Boris Aljinovic und Helen Barke. © DERDEHMEL/Urbschat

Die Handlung des Stückes ist rasch erzählt. Onkel Wanja (Boris Aljinovic) verwaltet dienstbeflissen das Landgut seiner verstorbenen Schwester. Der Witwer ist der pensionierte Professor Serebrjakow, der aufs Landgut kommt und jeden mit seinen eingebildeten Krankheiten und seiner Lethargie nervt. Onkel Wanja hat ihn einst verehrt und sich auf dem Gut für ihn abgerackert, um sein Leben in der Stadt zu finanzieren. Doch jetzt hat er ihn durchschaut als einen Scharlatan, der sich mit großer Kunst beschäftigt und nichts davon versteht.

Tilmar Kuhn als Professor Serebrjakow und Dagmar Bernhard als seine Frau Jelena ©DERDEHMEL/Urbschat

In Begleitung des Professors ist seine neue junge und schöne Ehefrau Jelena, die sich langweilt und allen Männern den Kopf verdreht. Als der Professor mit ständiger Geldnot äußert, das Gut verkaufen zu wollen, ist Onkel Wanja empört, denn sein Lebenswerk und die einzige Rechtfertigung seines freudlosen Daseins ist in Gefahr. Er versucht den Professor zu erschießen. Dieser reist daraufhin mit seiner jungen Ehefrau überstürzt ab und letztlich bleibt alles beim Alten. Es fehlt allen Beteiligten Mut, Kraft und Entschlossenheit, an ihrer Situation etwas zu ändern. So ist halt das Leben – das ist die etwas trostlose Botschaft von Tschechow, die aber mit Mitgefühl, Verständnis und Humor erzählt wird.

Ein gewichtiger Grund für diesen Theatererfolg ist bei dem Regisseur Anatol Preissler zu finden. Er ist ein viel gefragter Theatermann mit über 100 Inszenierungen an Kellertheatern genauso wie an Stadt- und Staatstheatern. Für dieses Tschechow-Stück gibt es wohl kaum eine bessere Wahl als ihn. Denn es ist sein Lebenstraum, „Onkel Wanja“ zu inszenieren. Mit so viel Herzblut ist es dann auch möglich, Tschechow zu aktualisieren und in die heutige Zeit zu bringen . In Preisslers neuer Übersetzung versteht der Zuschauer besser, warum Tschechow das Stück als Komödie titulierte.

Mehrere Wochen arbeitete er mit den Schauspielern an den Dialogen des Textes. Und er setzte als Regisseur seine Akzente. Das beginnt beim Dauer-Szenenbild, das den russischen Gutshof mit geschickt designten Türen und Wänden in den Farben Rot und Blau entwirft und mit vielen liebevollen Details aufwartet. Wann entwirft ein Regisseur schon mal ein Bühnenbild?

Mario Ramos ©DERDEHMEL/Urbschat

Ausgesprochen wirkungsvoll sind die eingesetzten Musikstücke, russische und ukrainische Volkslieder, der Song „Karl der Käfer“ – einer der ersten Umweltsongs und Hit der 80er Jahre – mit dem Astrow seine Kritik am menschlichen Raubbau des Waldes zum Ausdruck bringt, und die Live-Gitarrensolos des verarmten Gutsbesitzers Telegin.

Tief beeindruckend ist die Schlussszene dieses alltäglichen Dramas, in der alle Schauspieler versammelt sind: Alles geht so weiter wie vorher, Onkel Wanja rechnet traurig an einer Rechenmaschine, seine Nichte Sonja versucht, ihm damit Trost zu spenden, dass sie nach dem Tod noch genug Muße zum Ausruhen hätten, der mit Ehefrau abgereiste Professor steht allein vor einer Mauer seiner Karriere, und ein melancholischer englischer Song „we don’t belong here“ bringt uns näher: So ist das menschliche Leben, damals wie heute.

www.schlossparktheater.de

„Onkel Wanja“ von Anton Pawlowitsch Tschechow wird im Schlosspark Theater

noch bis zum 15. Oktober 2023 jeweils von Dienstag bis Sonntag en suite gespielt

Beginn: Dienstag 20 Uhr, Mittwoch 18.30 Uhr, Donnerstag bis Samstag 20 Uhr

und Sonntag 16 Uhr

Quelle: www.keusch-reisezeiten.de/

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