Von Katharina Zawadsky
„Die kleine Hexe“ gehört hierzulande seit Generationen zu den beliebtesten Kinderbüchern. Otfried Preußlers Geschichte von 1957 behandelt die für damalige Verhältnisse fast revolutionäre Emanzipation einer eigenwilligen kleinen Person, die nun, ganz zeitgemäß, in einer Plattenbauwohnung lebt und sich im hexen und verhexen übt. Was zunächst meistens schief geht aber sie gibt nicht auf und schafft schließlich dank Zuversicht, Fleiß und guter Freunde das schier Unmögliche.
Die kleine Hexe (Maria-Danaé Bansen) und Freund Abraxas (Michael Heller)
Klein ist die kleine Hexe eigentlich nicht – aber noch sehr jung! Gerade einmal 127 Jahre alt und damit viel zu jung, um mit den großen Hexen in der Walpurgisnacht auf den Blocksberg zu reiten.
Aber das ist doch das Allergrößte im Hexenjahreskalender! Rabe Abraxas hat sie zwar gewarnt, aber sie kann einfach nicht anders, als sich heimlich ins Hexengetümmel zu schmuggeln.
Wäre da doch nur nicht die böse Muhme Rumpumpel (Karolina Gumos), die der kleinen Hexe rein gar nichts gönnt und sie bei der Oberhexe (Johannes Dunz) verpfeift. Zur Strafe nimmt diese der kleinen Hexe den Besen weg, aber sie sagt ihr auch: Wenn sie bis nächstes Jahr gut geworden ist, kann sie mit zur Walpurgisnacht kommen. Gemeinsam mit dem possierlichen Raben tut die kleine Hexe alles, um eine gute Hexe zu werden.
Aber was ist das eigentlich, eine »gute« Hexe? Eingebettet in eine Rahmenhandlung, die die kleine Hexe in der heutigen Welt verortet, wird die Protagonistin als Mädchen gezeigt, das sich in die Hexenwelt träumt, sodass Traum und Realität im Verlauf des Stückes miteinander verschmelzen. Als antiautoritäre Heldin setzt die kleine Hexe ein wichtiges Zeichen für den Stellenwert von Güte und Mut.
Ein mitreißendes Musical für eine junge Zielgruppe aber auch deren Eltern, die vielleicht auch schon mit der vergnüglichen und lehrreichen Hexenstory groß geworden sind. Komponist Franz Wittenbrink hat das Ganze mit einem schmissigen Mix aus jazzigen Parts und gefälligen „Ohrwürmern“ ausgestattet. Insgesamt also eine Mischung aus Kinderoper und Muscial. Die Komische Oper (im Schillertheater) hat auch diesmal mit dem alljährliche Weihnachtsmärchen wieder ganz den Geschmack und den Zeitgeist der jungen Generation getroffen (Inszenierung: Martina Gredler).
Videoeffekte, wunderschön skurrile neon-bunte Kostüme (Dinah Ehm) und vor allem ein mitreißend spielfreudiges Darstellerensemble, allen voran der quietschfidel agierende Kinderchor (Einstudierung Dagmar Fiebach) und natürlich die allesamt das junge Publikum begeisternden Solisten. Maria-Danaé Bansen verkörpert hinreißend die kleine Hexe mit Schwung, Charme und einer gehörigen Portion Aufmüpfigkeit. Abraxas, ihr bester Freund (Michael Heller), steht mit Rat und Tat zur Seite, auch wenn er manchmal den überschäumenden Enthusiasmus der kleinen Hexe ein wenig bremsen muss.
Kindgerechte wie kluge Dialoge über Moral und Lebensfragen zwischen Hexe und Tierfreund werden aufmerksam verfolgt und im Saal kommentiert. Als zur Walpurgisnacht ein riesig leuchtender Vollmond von der Decke schwebt, die Hexenfeier in ein ausgelassenes Fest mündet und die kleine Hexe für ihren Eifer belohnt wird, ist das junge Publikum hell begeistert und bedankt sich mit viel Jubel und Applaus.
Fotos: Ingrid Müller-Mertens
Die kleine Hexe
Kinderoper in zwei Akten [2024] nach dem Kinderbuch von Otfried Preußler, Musik von Franz Wittenbrink
Weitere Vorstellungen im Schillertheater am 18. und 25. November, 1., 10., 18. und 26. Dezember, letzte Vorstellung in dieser Spielzeit am 5. Januar 2025