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„Pferd frisst Hut“

VonRedaktion

Feb. 12, 2025

Von Katharina Zawadsky

Auch wenn man spätestens seit der Ära Kosky in der Komischen Oper einiges gewohnt ist, die neueste Inszenierung übertrifft nochmal alles bisher Dagewesene an Absurdität, greller Situationskomik, chaplineskem Slapstick und drastischer Darstellung.

Starregisseur Herbert Fritsch ist nach seinen spektakulären Inszenierungen „Don Giovanni“und „Der fliegende Holländer“ an die Komische Oper Berlin zurückgekehrt, greift ganz tief in die Mottenkiste und fördert einen Klassiker der französischen Verwechslungskomödie aus dem 19.Jahrhundert zutage: „Ein Florentinerhut“ von Eugène Labiche. Noch immer ein Dauerbrenner an der Comédie-Française. Dort, davon kann man ausgehen, sicher in einer klassischen Version. In der knallbunten, temporeichen, ja buchstäblich atemberaubenden Inszenierung von Herbert Fritsch hat man zunächst etwas Mühe , in dem turbulenten Bühnengeschehen die 1851 in Paris angesiedelte Handlung zu erkennen:


Das Pferd des reichen Müßiggängers Fadinard frisst bei einem Ausritt im Wald den Strohhut von Madame Beauperthuis, während diese sich im Schutz der Bäume mit dem Polizisten Tavernier vergnügt. Das scheint erstmal nicht weiter tragisch, doch der Imbiss hat dramatische Folgen! Denn wenn Madame ohne Hut nach Hause kommt, erfährt ihr eifersüchtiger Gatte vom heimlichen Techtelmechtel mit ihrem Polizisten. Die in flagranti ertappten Geliebten fordern sofortigen Hut-Ersatz. So rast Fadinard ausgerechnet am Tag seiner Hochzeit auf der Suche nach einem identischen Ersatzhut durch ganz Paris.

Nicht nur seine eigene tölpelhafte Verwandtschaft macht ihm dabei immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Die ständige Anwesenheit von Madame Beauperthuis, die sichergehen will, dass er sein Versprechen hält, weckt wiederum die Eifersucht seiner Braut Hélène, und als nicht nur der gehörnte Ehemann auftaucht, sondern ihn auch noch der Polizist Tavernier zum Duell fordert, ist die Verwicklung perfekt.

Zum Exzess betrieben das genretypische Türenklappen. Alles vielleicht ein bisschen zu rasant und überzogen. Das sehr geneigte Publikum mitunter von der galoppierenden, abstrusen Handlung überfordert. Der eine oder andere Platz blieb nach der Pause leer.


Vertont wurde der Klamauk von keinem Geringeren als Herbert Grönemeyer. Die Pop-Ikone hat aus der derb-komischen Farce ein anarchisches Musical gemacht, das sich in keine Schublade stecken lässt. Herbert Grönemeyer kehrt damit zu seinen Wurzeln als Theatermusiker zurück und komponiert ein gutgelauntes Musiktheater für großes Ensemble, in dem Songs mit Ohrwurm-Potenzial auf schöne Orchesterpassagen und nostalgische Momente im hymnischen Stil der 20. Century Fox-Fanfare treffen. Deutschlands erfolgreichster Musiker parodiert sich quasi selbst.

Das Ensemble war offenbar aus dem Hochleistungssport rekrutiert und den im Wortsinn atemberaubenden artistischen Anforderungen voll gewachsen. .Alle Solistinnen und Solisten übertrafen sich an extremem Körpereinsatz und Spielfreude. Herausragend Christopher Nell als Fadinard. Das Orchester unter Dirk Kaftan haute ordentlich rein und der durch das tanzende Personal des Hauses verstärkte Chor (Jean-Chrisophe Charon) entzückte stimmlich und optisch.

Absurdes Highspeed-Theater – umwerfend komisch, wenn man sich darauf einlässt.

Fotos: Ingrid Müller-Mertens

„Pferd frisst Hut“ – Musikalische Komödie nach Eugène Labiches „Ein Florentinerhut“ | Musik- und Liedtexte von Herbert Grönemeyer, Inszenierung Herbert Fritsch

Komische Oper Berlin im Schillertheater
Bismarckstraße 110
10625 Berlin Berlin

Weitere Vorstellungen am 13. und 15. Februar sowie am 15. und 19. Mai, letzte Vorstel-
lung in dieser Spielzeit am 24. Mai 2025.

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