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Mozarts „Mitridate“ im goldglänzenden Samurai-Ambiente

VonRedaktion

Dez 12, 2022

Während die Staatskapelle unter der Leitung von Christian Thielemann durch Fernost tourte und mit Werken von Brahms, Bruckner und Wagner auch in Tokio umjubelt wurde, verwandelte sich das Stammhaus Unter den Linden in ein japanisches Kabuki-Theater. Was zunächst befremdet, dann aber zunehmend fasziniert. Denn aufgeführt wurde kein traditionelles No-Theater sondern eine Mozart-Oper. 14 Jahre war Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) erst alt, als er den Auftrag erhielt, für das Mailänder Teatro Regio Ducale eine große, abendfüllende Opera seria zu komponieren: „Mitridate, Re di Ponto“, basierend auf einem Drama des französischen Tragödiendichters Jean Racine.

Die Geschichte um einen im Niedergang begriffenen König und Kriegsherr, dessen zwei so unterschiedliche Söhne dieselbe Frau lieben, die aber zugleich seine eigene Braut ist, inspirierte Mozart zu einer Musik, die gehobenes Pathos und starke Leidenschaften ebenso kennt wie tiefempfundene Emotionen. Die Uraufführung des ambitionierten dreiaktigen Bühnenwerkes Ende 1770 wurde zum Triumph für den jugendlichen Komponisten.

Ein japanisches Inszenierungsteam tauchte nun im Rahmen der traditionellen Barocktage der Berliner Staatsoper „Mitridate“ in ein fernöstliches Ambiente und lies in einer überaus luxuriösen, ritualhaft statischen Inszenierung verschiedene Welten aufeinandertreffen.

Das Stück spielt in Kleinasien um 63 vor Christus. Die Geschichte handelt von der Auseinandersetzung zweier Mächte: einer asiatischen und einer europäischen, Pontus und Rom. Im Zentrum der Handlung steht die Beziehung zwischen dem König Mithridates (Mitridate) und seinen beiden Söhnen Xiphares (Sifare) und Pharnaces (Farnace). Alle drei begehren die junge Aspasia. Sie ist mit Mithridates verlobt, doch ihr Herz gehört einem Anderen. Der blutjunge Mozart beschrieb hier in einer leidenschaftlichen, teilweise pathetischen musikalischen Umsetzung einen Thronfolgekrieg, Verrat, moralisch-ethische Konflikte, militärpolitische und amouröse Verstrickungen und vor allem einen Herrscher im Zwiespalt.

Die Figuren sind hin- und her gerissen zwischen Pflicht und Neigung. Dem in Tokio geborenen Regisseur Satoshi Miyagi geht es um moralisches Theater. Das Regieteam lässt das Geschehen um den pontischen König Mithridates VI. (ca. 132 bis 63 v. Chr.), der in einer Reihe von Kriegen gegen das Römische Reich kämpfte, vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen Japan und den USA im Zweiten Weltkrieg spielen, ohne jedoch eindeutige Parallelen herzustellen. Die Botschaft, dass Frieden und Versöhnung an die Stelle von Rache treten soll, steht im Mittelpunkt seiner Regiearbeit, die er aus dem Geist des japanischen Kabuki-Theaters heraus entwickelt hat. Stilelemente fernöstlicher Theaterkulturen fließen mit ein und geben Mozarts Opera seria ein außergewöhnliches Gepräge, sowohl in der optischen Anmutung als auch in der Personenführung und -charakerisierung.

Wie er im Programmheft betont: „Im letzten Stück der Oper, einem Ensemble, geht es vordergründig um Rache, die letzte Szene soll aber ganz im Gegenteil Versöhnung bringen. Mein Ziel wäre erreicht, wenn das Publikum fühlt, dass die Seelen der Toten in Frieden ruhen anstatt dass sie Revanche fordern, und dass nach dem Krieg ein Frieden in Unendlichkeit möglich ist. Ich wäre jedenfalls sehr glücklich, wenn diese Botschaft verstanden und beherzigt werden würde.“

„Vorbild für das Bühnenbild ist der prächtige Potala-Tempel in Lhasa, Tibet, der ein religiöses wie ein politisches Zentrum ist, somit beide Seiten repräsentiert“, erläutert Miyagi. Zu Beginn und am Schluss der Aufführung wird mit düsteren Trümmer-Bildern aus einer verbrannten Stadt an das zerstörte Tokio von 1945 oder auch Hiroshima erinnert werden. Das aber auch sehr eindringlich als Statement gegen den Krieg in der Ukraine verstanden werden will.

Das hervorragende internationale Darstellerensemble agierte in opulenten, prächtigen Kostümen zwischen Geisha- und Samurai-Ambiente (Kayo Takahashi Deschene). In den anspruchsvollen Solopartien brillierten der samoanische Tenor Pene Pati, der die Titelrolle zum ersten Mal sang, die rumänische Sopranistin Ana Maria Labin (Aspasia), die US-amerikanische Mezzosopranistin Angela Brower (Sifare), der französische Countertenor Paul-Antoine Bénos-Dijan (Farnace), die französisch-zypriotische Sopranistin Sarah Aristidou (Ismene), der in Madagaskar geborene Tenor Sahy Ratia (Marzio) und die in Gabun geborene Mezzosopranistin Adriana Bignagni Lesca (Arbate).

Beeindruckend das französische Originalklangensemble Les Musiciens du Louvre unter der Leitung seines Gründers, dem Mozart-Spezialisten Marc Minkowski.

Fotos: Ingrid Müller-Mertens

Von Redaktion