Mit dem E-Bike am Skadar-See und seinen Zuflüssen
Von Ronald Keusch
Die kleine Republik Montenegro auf der Balkanhalbinsel hat nur etwas mehr als 600.000 Einwohner und eine Flächenausdehnung so groß wie Schleswig-Holstein. Der internationale Tourismus hat die Küsten-Landschaften Montenegros mit der Bucht von Kotor und dem malerischen Budva schon lange entdeckt. Doch das Land an der Adria hat noch viel mehr als seine bezaubernden 72 Kilometer langen Strände und historisch mediterrane Küstenorte zu bieten. Es lohnt, die gebirgsreiche Landschaft mit ihren großen Naturparks, romantischen Seen und tiefen Schluchten im Norden des Landes zu besuchen.

Inmitten der Schwarzen Berge
Als Ausgangspunkt für den Weg in die Bergregionen ist der kleine Ort Kolašin mit 3000 Einwohnern auf einer Höhe von 850 Metern gut gewählt. Immer gemächlich mit dem Minibus bergauf, bestaunt der Besucher schon bald die Sichten in den Bjelasica Bergen und im Nationalpark Biogradska Gora. Die Fahrt geht vorbei an Wäldern, zumeist mit Tannen-, Kiefern- und Ahorn-Bäumen, die dem Land Montenegro seinen Namen gaben. Der serbische und montenegrinische Name „Crna Gora“ – Schwarzer Berg – ist abgeleitet vom venetianischen Monte Negro, eine Reminiszenz an die dichte, dunkle Bewaldung des Landes.
Der Nationalpark Biogradska Gora macht diesem Namen alle Ehre – hier befindet sich einer der letzten Urwälder Europas. Demgegenüber dominieren im nicht einmal 20 Kilometer entfernten Sinjajevina Gebirge große Bergweiden, gesäumt von schroffen Kalksteinfelsen.

Inmitten der Bergwelt im Nationalpark Biogradska Gora liegt idyllisch der Biogradsko See, der mit einer mehr als drei Kilometer langen Wanderung zu umrunden ist. Ganz fantastisch spiegeln sich die Silhouetten der Bergkämme und der Wälder im klaren Wasser des Bergsees wider.
Bärlauch am Wasserlauf vom Fluss Tara
Die Tara, der längste Fluss in Montenegro, prägt die ganze Region. Sie hat über Jahrtausende eine stellenweise bis zu 1300 Meter tiefe Schlucht in das Felsgestein gegraben und bildet damit einen der längsten und tiefsten Canyons der Welt. In den Waldgebieten an der Tara wächst in diesem Talabschnitt Bärlauch. Die Pflanzen bilden einen dichten Teppich an Bärlauch-Nestern – ein fantastisches Bild.


Mittelalterlichen Grabsteine Kulturerbe der UNESCO
Auf dem Weg durch die Berge stößt der Besucher auf außergewöhnliche und spannende historische Spuren. Dazu gehören zweifellos die Stećci, mittelalterliche Grabsteine aus dem 12. bis 16. Jahrhundert. Die Grabsteine sind monolithische Blöcke aus weißgrauem Kalkstein und unterschiedlich dekoriert. Sie zeugen von den engen Verbindungen der Menschen aus den heutigen Ländern Montenegro, Serbien, Bosnien und Herzegowina sowie Kroatien, die damals wie auch heute in kulturellen Traditionen verbunden sind. Wegen ihrer herausragenden kulturellen Bedeutung wurden gleich drei Grabstätten im Jahr 2016 als Kulturerbe der UNESCO anerkannt, eine davon liegt ganz in der Nähe von Žabljak.


Das Touristenzentrum Vučje liegt im Herzen der montenegrinischen Berge auf einer Höhe von 1370 Metern. Hier soll der Urlauber das ganze Jahr mit der perfekten Kombination aus unberührter Natur, Abenteuer und Komfort auf seine Kosten kommen. Im Winter ist es ein angesagtes Skigebiet, in den übrigen Jahreszeiten zieht es Wanderer, Reiter und Radtouristen an. Und Sternengucker – die Region gehört zu den sogenannten Dark Sky Places, die einen ungehinderten Blick in den Himmel versprechen, weitab von den Lichtern der Zivilisation.
Tourismus spielt wichtige Rolle im Land
Der Tourismus spielt in Montenegro eine entscheidende Rolle. Durch ihn werden vor allem in den Küstenregionen immerhin mehr als ein Fünftel des Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet. Künftig sollen die Tourismuszahlen sogar noch erhöht werden. In den Bergregionen im Norden und Osten des Landes ist dafür noch viel Platz.

Auf historischen Spuren in Podgorica
Ein Bummel durch Montenegros Hauptstadt Podgorica, mit rund 150.000 Einwohnern auch größte Stadt des Landes, ist eine historisch interessante Entdeckungsreise. Christliche, osmanische und moderne Stilrichtungen der Architektur geben sich sozusagen die Klinke in die Hand, da eine mittelalterliche Festung, dort eine Moschee, hier ein verglastes Appartement-Gebäude und daneben eine Kirche. Im Stadtzentrum gibt es an der Millennium-Brücke über den Fluss Morača verträumte Plätze mit Bänken.

Ein Wahrzeichen der Stadt ist die orthodoxe Kathedrale Hristovog Vaskrsenja, dieAuferstehungskirche, mit ihrer 36 Meter hohen Kuppel. Sie ist die größte Kirche Montenegros und wirkt wie ein historisches Gebäude, tatsächlich wurde der Grundstein erst im Jahr 1993 gelegt, im Jahr 2013 wurde sie fertiggestellt.
Der große Innenraum ist reichhaltig mit Ikonen, Fresken und Mosaiken geschmückt. Festlich gekleidete Hochzeitpaare werden hier getraut und eine große Zahl von Gläubigen steht in einer langen Schlange, um bei einem Priester zu beten.


Nicht weit entfernt in einem Park zeigt ein Denkmal den russischen Liedermacher Wladimir Wyssozki und ein anderes den in bekannter Pose in Uniform mit umgehängtem Mantel nachdenklichen Josip Broz Tito, dessen Namen die Stadt im damaligen Jugoslawien 46 Jahre lang trug.


Historische Spuren und Denkmäler erinnern an den Fürsten und ersten König von Montenegro, Nikola I., der auch etwas ironisch als Schwiegervater Europas betitelt wurde. Denn er hatte fünf seiner Töchter an die Königshöfe verschiedener europäischer Länder verheiratet – ein kluges diplomatisches Kalkül. Den Völkern in Europa könnte bis in die heutigen Tage viel Elend erspart werden, wenn in der Politik die Diplomatie dominieren würde. Eine Erkenntnis, die nicht zuletzt die deutschen Touristen mit nach Hause nehmen sollten.
Quelle: https://www.keusch-reisezeiten.de/post/2025-04-eu-montenegro