• Fr. Apr 19th, 2024

„Il Giustino“ entzückt in der Staatsoper

VonRedaktion

Nov 22, 2022

von Katharina Zawadsky

Wer in diesen grauen Novembertagen in Zeiten von Krieg, Inflation und immer noch Pandemie etwas Aufheiterung sucht, dem ist ein Abend in der Berliner Staatsoper wärmstens zu empfehlen. Im Rahmen der Barocktage ist hier eine Oper von Antonio Vivaldi (1678-1741) zu erleben, die in jeder Beziehung drei kurzweilige Stunden lang entzückt und fasziniert.

Die diesjährige Ausgabe der BAROCKTAGE an der Staatsoper setzt dabei die Tradition fort, auch unbekannte Facetten der Alten Musik zu beleuchten. Mit „Il Giustino“ von Antonio Vivaldi ist ein seltener Glücksgriff gelungen.

Von links: Kateryna Kasper, Siyabonga Maqungo/Kateryna Kasper, Christophe Dumaux. Fotos: Ingrid Müller-Mertens

Erst in den 1920er Jahren wiederentdeckt, widmet sich das Haus Unter den Linden damit überhaupt zum ersten Mal einem Bühnenwerk dieses bedeutenden Barockkomponisten. Es geht um Liebe, Krieg und Gewalt, Erotik, Eifersucht und Intrigen, Machtgier und Mutproben in der Zeit des byzantinischen Kaiser Anastasios I.

Ein ungemein vergnügliches, actionreiches Bühnenspektakel über den Aufstieg des jungen Bauern Giustino an die Spitze der römischen Politik, in dem sich nicht nur starke emanzipierte Frauen und archaische eitle Helden, sondern auch Bären, Meeresungeheuer und aus Gräbern sprechende Stimmen zu Wort melden.


Regisseurin Barbora Horáková inszeniert märchenhaft-phantasievoll mit pointiertem Humor, Eleganz und Leichtigkeit. Auch eine zauberhafte Hommage an das Maschinentheater der üppigen Barockaufführungen des 17. und 18. Jahrhunderts. Guckkastenbühne, hin- und hergeschobene Sperrholzkulissen, Götter auf Wattewolken vom Schnürboden herabgelassen, wallende Nebel, Blitz und Theaterdonner. Eine Augenweide vergnüglicher Einfälle voller Schwung und Ironie.

Und vor allem ein hinreißendes Sängerensemble. Die beiden Countertenöre Raffaele Pe (Anastasio) und Christophe Dumaux (Giustino) begeistern durch geschmeidigen stimmlichen Wohlklang und mitreißende Spielfreude. Ebenso Kateryna Kasper als Arianne mit verführerisch wandelbarem Sopran und makellosen, geradezu atemberaubenden Koloraturen. Bejubelt auch der südafrikanische Sänger Siyabonga Maqungo (Vitaliano) – der Bösewicht vom Dienst – , mit strahlender Tenorstimme und raumgreifender Bühnenpräsenz. Standing Ovations auch für Robin Johannsen (Leocasta), Helena Rasker (Andronico), Olivia Vermeulen (Amanzio, Fortuna) und Magnus Dietrich (Polidarte), der Staatsopernchor (einstudiert von Gerhard Polifka), das Bühnenbild von Thilo Ullrich und die teilweise amüsant überspitzten farbenfrohen Kostüme von Maria Van Acker. Nicht zu vergessen das anspruchsvolle Lichtdesign, gestaltet von Sascha Zauner.

Aber was wäre das alles ohne die eingängige Musik des barocken Meisters und seine zwar werkgerechte aber auch behutsam heutigen Hörgewohnheiten und Möglichkeiten angepasste Umsetzung. Barockspezialist René Jacobs hat das ursprünglich fünfstündige Werk moderat gekürzt und eine musikalische Neufassung erarbeitet, die vom ersten Moment an mit angenehm leichten Schwung und intensiven Klangfarben fesselt, kongenial umgesetzt von der Akademie für Alte Musik mit autentischen Spezialinstrumenten.

Wohl selten gab es in der Staatsoper eine so einhellige Begeisterung für alle Beteiligten.

Fotos:  © Ingrid Müller-Mertens

https://www.staatsoper-berlin.de/de/spielplan/

Von Redaktion