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Paul Gauguin – „Why are you angry?“

VonRedaktion

Mrz 30, 2022

Paul Gauguin (1848-1903), Tahitianische Frauen, 1891, Musée d’Orsay, © RMN-Grand Palais (Musée d’Orsay), Foto: Patrice Schmidt | Bridgemann

Von Katharina Zawadsky

Er träumte vom exotischen Südseeparadies – voller Schönheit, Erotik und einem in jeder Hinsicht freien Leben. Paul Gauguin gehört zu den einflussreichsten Wegbereitern der künstlerischen Moderne, dessen bekannteste Gemälde in den Jahren zwischen 1891 und 1901 auf der Südseeinsel Tahiti entstanden. Seine Sehnsucht allerdings wurde nicht wirklich erfüllt, denn das vermeintliche sinnliche Paradies war bereits geprägt und gezeichnet vom Kolonialismus und seinen schrecklichen Auswirkungen.

Paul Gauguin (1848-1903), APATARAO (Tahitianische Landschaft)), 1891–1895, Ny Carlsberg Glyptotek, Kopenhagen© Ny Carlsberg Glyptotek

Seit den 1760er-Jahren galt Tahiti in der westlichen Welt als sinnliches, irdisches Paradies. Nicht nur offizielle Logbücher und Berichte der „Entdecker“, sondern auch Aufzeichnungen von Künstlern und Wissenschaftlern an Bord der Expeditionsschiffe verbreitete zudem einen erotisierenden Mythos über die von ihnen als auffallend schön bezeichneten Tahitianerinnen. Dieser Mythos wird in populären Reiseromanen sowie auf den französischen Weltausstellungen, wo neben der Förderung von Industrie, Handel und Wissenschaft auch das Leben in den annektierten Kolonien „gezeigt“ wurde, fortgeschrieben. Hier kommt auch Gauguin damit in Berührung und entscheidet sich 1891 Europa und sein Familie in Richtung Südsee zu verlassen, mit dem erklärten Ziel, dort ein „Atelier in den Tropen“ zu errichten.

Paul Gauguin (1848 – 1903), Tahitianische Fischerinnen, 1891,© Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Leihgabe der Ernst von Siemens Kunststiftung / Jörg P. Anders

Die Ausstellung «Why are you angry?» in der Alten Nationalgalerie Berlin zeigt in einer eindrucksvollen Schau Werke Paul Gauguins, die zwischen 1891 und 1901 auf Tahiti entstanden sind. Darunter die großformatigen Motiven mit auffallender Farbigkeit, wie eines der Hauptwerke Gauguins aus der Sammlung der Nationalgalerie, das Gemälde «Tahitianische Fischerinnen» von 1891.

Die Experimentierfreudigkeit seiner künstlerischen Arbeit sowie sein Streben nach einer Einheit von Kunst und Leben wird gleichzeitig mit dem Paradoxon konfrontiert, dass Gauguin als französischer Kolonist auch Zerstörer ebendieses „ursprünglichen“ Paradieses war, das er so inständig suchte. Seine Werke spiegeln daher wohl eher seinen Traum vom Südseeparadies wider und nicht die damalige koloniale Realität.

Paul Gauguin (1848-1903), Die Vergnügungen des Bösen Geistes /1894, Ny Carlsberg Glyptotek, Kopenhagen © Ny Carlsberg Glyptotek

Vor dem Hintergrund historischer Vorbilder und postkolonialer Debatten stellt die Ausstellung den von Gauguin selbst erschaffenen Mythos des „wilden Künstlers“ zur Diskussion. Die aktuellen Positionen aus dem Südpazifik vertreten durch zeitgenössische KünstlerInnen wie Yuki Kihara, Selina Tusitala Marsh, Angela Tiatia und Henri Hiro formulieren ihre eigenständigen polynesischen Perspektiven auf den Umgang mit diesem Erbe und konfrontieren die paradiesische Erzählung Gauguins mit aktuellen Debatten um Metoo, Gender, Kolonialismus und Repräsentation.
Neben Gemälden, Grafiken und Holzschnitzereien werden auch Gauguins seltener ausgestellte Keramiken sowie Texte und Bücher gezeigt. In diesen gibt er sich als einheimischer Inselbewohner aus, der in Harmonie mit der lokalen Kultur lebt. Darin wird deutlich, wie eng Person, Mythos und Kanonisierung der Figur Paul Gauguin verwoben sind.

Paul Gauguin (1848-1903), Frau mit Blume, 1891, Ny Carlsberg Glyptotek, Kopenhagen © Ny Carlsberg Glyptotek

Dem selbsterschaffenen Künstlermythos ist das Abschlusskapitel der Ausstellung ge-
widmet. Das Nachvollziehen von Gauguins geographischen Lebensstationen verdeutlicht deren enge Verbindung mit seinem künstlerischen Schaffen und seiner Selbstinszenierung. So ermöglicht die Ausstellung, das Verständnis der Werke des Künstlers zu erweitern, ihn in seiner großen Experimentierfreude, aber auch in seiner Zerrissenheit zu zeigen.


Paul Gauguin – Why Are You Angry?

Museumsinsel Berlin, Alte Nationalgalerie
Bodestraße 1-3, 10178 Berlin-Mitte,
bis 10. Juli 2022
Eine Sonderausstellung der Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin
in Kooperation mit der Ny Carlsberg Glyptotek.

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