Gerhard Richter 2012 bei der Ausstellungseröffnung seiner Retrospektive in der Nationalgalerie. Foto: Ingrid Müller-Mertens
Gerhard Richter, geboren am 9. Februar 1932 in Dresden, ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten Künstler der Gegenwart. Seit Jahrzehnten begeistert seine Kunst durch die malerischen Techniken, die intellektuelle Stringenz der Themen und die konsequenten Umbrüche der Arbeitsweisen, von den ersten grau verwischten Bildern nach Fotografien bis zu den farbigen abstrakten Bildern.

Anlässlich seines 90. Geburtstags zeigt die Kunstbibliothek in der Neuen Nationalgalerie erstmals die Künstlerbücher Gerhard Richters in einer großen Überblicksausstellung. „Das Künstlerbuch ist ein sehr demokratisches Medium für Künstlerinnen und Künstler, da sie hier eine Form finden, die viele Menschen erwerben können, die man mit nach Hause nehmen kann“, erklärt Michael Lailach, Leiter der Sammlung Buchkunst der Kunstbibliothek anlässlich der Eröffnung. „Mit ihnen kann man eine ganz andere Intimität haben als mit einer Ausstellung.“ Sie erlaubten „einen ganz anderen Blick auf die künstlerische Idee“.



Die Bücher, für die Richter immer auf eigene Bildmotive zurückgriff und mit abstrakten Verfahren experimentierte, sind für das Verständnis seiner Arbeit unverzichtbar und sie geben einen einzigartigen Einblick in die Gedankenwelt des Künstlers. Sinn der Ausstellung sei es, Richters Gedankenwelt sinnlich erfahrbar zu machen, sagt Lailach. „Diese Form der Erklärung findet sich in gewisser Weise auch in den Künstlerbüchern wieder. Diese Bücher haben aufgrund ihrer hohen Auflage, ihrer Verbreitung und ihrer Popularität im Medium Buch die Möglichkeit für den Künstler darzustellen, was ihn bewegt, warum er so arbeitet und wonach er sucht.“
Bereits 1966 entstand das erste Künstlerbuch von Richter in Zusammenarbeit mit Sigmar Polke.
In der Ausstellung im Grafischen Kabinett der Neuen Nationalgalerie werden Richters Künstlerbücher aus der Sammlung der Kunstbibliothek in einer Gesamtschau mit druckgrafischen Editionen aus der Sammlung des Kupferstichkabinetts präsentiert und durch das für sein Schaffen paradigmatische, große abstrakte Bild „Atelier“ aus der Sammlung der Nationalgalerie ergänzt. Vom Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König in Köln, in dem fast sämtliche Künstlerbücher Gerhard Richters erschienen sind, stammen zahlreiche Publikationen, die zum Blättern, Entdecken und Lesen in die Hand genommen werden können.

Wertvolle Vorzugsausgaben, Editionen, Entwürfe und Briefe aus dem Gerhard Richter Archiv der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden runden die Sonderausstellung ab.
Drei Themen durchziehen die Ausstellung: Die Sektion „Das Bild des Künstlers“ richtet den Fokus auf die Selbstinszenierung Gerhard Richters als Autor seiner Bilder. Sein Selbstbild als Maler entstand aus vielen Variationen und Verschiebungen der gesellschaftlichen Erwartungen an einen
Künstler. Parodie, Maskerade und Spiel, vor allem Ironie und Humor sind die Mittel, mit denen er sich einer Festlegung auf einen Malstil entzog.
Im Mittelpunkt der Sektion „Das Bild der Fotografie“ stehen die fotografischen Repräsentationen seiner gemalten Bilder, die es Richter ermöglichten, die Motive von ihrem Bildträger zu lösen und Distanz zu gewinnen. Neue Kontexte entstanden in Büchern durch die Technik der fotografischen
Vergrößerung in extreme Details. Im Buch traten die zahllosen eigenen Fotografien von Gerhard Richter an die Stelle von Pressebildern, sie wurden mit Lackfarben übermalt oder fanden ihren Ort im Atlas, dem großen Archiv der künstlerischen Arbeit.
Das dritte Thema „Das Bild des Zufalls“ zeigt das Zusammenspiel von Kalkül und Zufall im Werk von Gerhard Richter. Um neue Bildmotive zu finden, brachte er den Zufall ins Spiel, als Gegenüber des Künstlers, mit dem er in kontrollierten Operationen die Texte in Büchern zerteilte und zusammensetzte oder die Dynamik von Farben und Mustern in Bildern erprobte.

Die Ausstellung eröffnet einen Ausblick auf die intensive Zusammenarbeit der Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin im künftigen Museum des 20. Jahrhunderts. Sowohl die Kunstbibliothek als auch das Kupferstichkabinett werden im neuen Haus der Nationalgalerie eigene Ausstellungsbereiche mit ihren reichen Beständen präsentieren. Unter anderem
100 Arbeiten die Gerhard Richter der Nationalgalerie als langfristige Leihgaben zur Verfügung gestellt hat.
Kulturforum, Neue Nationalgalerie
Potsdamer Straße 50, 10785 Berlin
Gerhard Richter. Künstlerbücher
noch bis 29. Mai 2022