Der Kabarettist und Schauspieler Uwe Steimle © Uwe Steimle
Von Ronald Keusch
Er hat zu seiner Jubiläumstour zum 60. Geburtstag eingeladen und nennt sein Programm „Mit Geduld und Spucke“. An einem Abend im Bürgerhaus Neuenhagen bei Berlin nehmen wir teil.
Nun hat politisches Kabarett durch die tägliche reale Politik selbst und deren gleichgeschaltete Beschreibung in den Medien schon Konkurrenz bekommen, denke man nur an den „Genderwahn“, der uns teilweise sogar schon in den Nachrichten-Sendungen verfolgt. Bei Steimle ist es anders, wie auf der Website der Veranstalter zu lesen ist. „Fast tragisch wirkt sein Bemühen, Brücken zu schlagen. Mal linke Sau, dann wieder rechtes Schwein – enden wird der 60jährige in seiner Zeitreise vermutlich als veganes Schnitzel.“ So weit so originell die erste Annäherung an den Künstler Steimle. Er hat sich als Schauspieler in der Rolle des Kriminalkommissars Hinrichs der Serie „Polizeiruf 110“ und beim MDR mit Filmen über Land und Leute in Sachsen mit dem Titel „Steimles Welt“ einem großen Publikum bekannt gemacht. Deutschlandweit Furore machte seine exzellente Honecker-Parodie.

Der Kabarettist Steimle wollte nicht wie leider zu viele seiner Kollegen „Berufshumoristen“ nur im Mainstream-Tretboot sitzen und hielt mit seiner kritischen Meinung auch in der veröffentlichten Meinung nicht hinter dem Berg. Die Konsequenzen nahm er in Kauf. Seine kritischen Positionen und seine Satire über Widersprüche in der Gesellschaft wurden durch „Hüter des Zeitgeistes“ umgedeutet und durch so genannte Fakten-Checker in die rechte Ecke abgestellt. Das bedeutete Abschied von der Karriere des Fernsehkriminal-Kommissars und vom MDR und Ankunft und Willkommen bei youtube. Jeder kann derzeit Uwe Steimle auf dem Bildschirm sehen in seiner selbst gegründeten „Aktuellen Kamera“.
Als Journalist habe ich in meinem Berufsleben eine sehr große Zahl von Kabarettisten mit ihren Programmen auf kleinen und großen Bühnen erlebt. Ob in früheren DDR-Zeiten in Leipzig „die Pfeffermühle“ und die „Akademixer“, in Dresden die „Herkuleskeule“ oder in Berlin die „Distel“ oder später in Gesamtdeutschland die Solo-Auftritte von Dieter Hildebrandt, Mathias Richling, Volker Pispers, Georg Schramm – immer war bei live-Auftritten die Übereinstimmung von Kabarettisten und Publikum recht groß. Und beim eingehegten Kabarett der DDR, aber auch später beim politischen Kabarett im einheitlichen Deutschland waren bei den Machern durchaus Rückgrat und ein gehöriges Maß an Mut notwendig, vom Publikum gewürdigt. Beim Auftritt von Uwe Steimle war das alles auch da, aber noch etwas mehr und anderes. Von den ausverkauften Reihen des Saales in Neuenhagen ging spürbar eine große Zuneigung und Solidarität für den Künstler Steimle aus. Ich kann mich kaum an so befreiendes Lachen, an so stürmisch innigen Applaus, sogar an Pfeifen und Johlen in früheren Kabarettauftritten erinnern. Ursprung und Auslöser für diese euphorischen Reaktionen des Publikums waren durchaus auch ausgefeilte Pointen und Wortspiele, aber vor allem: Das Publikum spürt, Steimle ist einer von ihnen, spricht solche Themen an, die alle Zuschauer bewegen, die sie aufregen und stören oder über die sie sich freuen. Steimle zeigt Haltung und Rückgrat – das, was man heute bei so vielen Künstlern schmerzlich vermisst.

Uwe Steimle ist auch in den nächsten Monaten weiter auf seiner Jubiläumstour unterwegs, wie es auf seiner Website heißt, mit Bekanntem und „Unpikantem“, getreu dem sächsischen Motto: Das Letzte von Heute und das Beste von Gestern – Lerne schweigen, ohne zu platzen. Die Zeit ist überreif.
An diesem Abend in Neuenhagen gibt es auch einen Aufruf von Uwe Steimle zur Friedens-Demonstration und zum Gedenken der Kriegs-Opfer in Dresden. Traditionell versammeln sich an dem Jahrestag der barbarischen Bombardierung Dresdens durch angloamerikanische Bomber am 13. Februar 1945 tausende Dresdner. Uwe Steimle kündigt an, dass er vor dem Dresdener Kulturpalast in der Innenstadt 5000 kleine blaue Fähnchen mit der Picasso-Friedenstaube verteilen wird. Wie sich herausstellen sollte: Viel zu wenig!
Quelle: keusch-reisezeiten.de (gekürzt)