Die neue Ausstellung im Museum Barberini in Potsdam präsentiert das Wechselspiel zwischen Kunst-Photographie und Malerei. Abbildung: Antonin Personnaz: Sonnenaufgang bei Schnee um 1907–1914 Autochrome, © Société française de photographie, Paris
Von Ronald Keusch
Einmal mehr wird nun Potsdam seinem Titel als Klein-Paris der impressionistischen Kunst gerecht. Das Museum Barberini eröffnete am 12. Februar die neue Ausstellung „Eine Neue Kunst. Photographie und Impressionismus“, die in Zusammenarbeit mit dem Von der Heydt-Museum Wuppertal entstanden ist. Auf einer online-Pressekonferenz stellt die Direktorin des Barberini-Museums, Ortrud Westheider, mit Stolz fest, dass die deutsche Museumslandschaft zum Impressionismus an Reichtum gewonnen hat. Beispiele dafür seien Ausstellungen in Bremen zu Monet und in Essen zu Renoir und Gauguin. So wurde die Idee geboren, eine Ausstellung zu konzipieren, die das Wechselspiel der neuen Kunstform Photographie und der Malerei der Impressionisten zeigt.

Der Besucher kann jetzt in der Sonderausstellung die historischen Werke der neue Kunstform Photographie betrachten, die aus der Zeit von Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Jahr 1910 stammen.
Ortrud Westheider, Direktorin des Museums Barberini: „Die Impressionisten widmeten ihre Malerei dem Augenblick. Ihre Malerei war pure Gegenwart, die individuelle Reaktionen auf im Wechsel begriffene Licht- und Wetterphänomene thematisierte. Das machte sie zu Verbündeten der Photographen.“
Die Photographen wählten die gleichen Motive wie die Impressionisten. Auch sie studierten die wechselnden Lichtsituationen, Jahreszeiten und Wetterverhältnisse. Oft fanden sich Photographen und Maler an den gleichen Orten in der Natur ein: Im Wald von Fontainebleau, auf abgeernteten Feldern mit Heuschobern, an der Steilküste von Étretat oder auf den Balkonen von Paris, um das Stadtleben aus der Vogelperspektive festzuhalten.

Von Anfang an verfolgten die Photographen einen künstlerischen Anspruch. Sie „komponierten“ ihre Bilder, experimentierten mit unterschiedlichen Techniken, Perspektiven, Lichtverhältnissen und Materialien, arbeiteten mit Unschärfe, Weichzeichnung und Montage. Ihr Verhältnis zur Malerei war bis zum Ersten Weltkrieg sowohl von Konkurrenz als auch von Einflussnahme geprägt.
Viele der ersten Kunst-Photographen waren auch Maler, wie zum Beispiel Gustave Le Gray, Henri Le Secq oder Eugène Cuvelier, insofern ist es nicht verwunderlich, dass sie auch mit dem Blick eines Malers an ihre künstlerische Arbeit herangingen. So kann man bei erster oberflächlicher Betrachtung der frühen Photographien kaum einen Unterschied zwischen Gemälden und Fotos erkennen, wenn man mal davon absieht, dass auf Gemälde-Originalen der Pinselstrich zu sehen ist, wogegen die Kunst-Fotos „flach“ sind.
Umgekehrt haben die Impressionisten damals durchaus auch die Photographie benutzt, um ihre eigenen Werke bekanntzumachen. Unter dem Einfluss der Photographie entwickelten auch sie neuen Techniken, wendeten sich modernen Sujets zu, insbesondere der städtebaulichen Modernisierung und der neuen Industriearchitektur wie Fabriken, Bahnhöfen oder Brücken. Insbesondere die Porträt-Malerei nutzte die neuen photographischen Verfahren, indem Negative oder Dias auf eine mit lichtempfindlicher Emulsion präparierte Leinwand projiziert wurden. Maler zeichneten dann die Konturen des projizierten Bildes nach und kopierten diese mit mathematischer Genauigkeit. Die Technik dieser sogenannten „photopeintures“ galt als kostengünstig und effizient, da sie die Dauer der Porträtsitzungen erheblich reduzierte.

Die Ausstellung beginnt mit der Naturbeobachtung. Impressionisten wie Photographen setzten sich Mitte des 19. Jahrhunderts mit den Motiven Himmel, Meer und urbane Landschaften auseinander, versuchten Lichtreflexe und Wetterphänomene so authentisch wie möglich wiederzugeben. Die
Landschaftsmalerei der Impressionisten gehörte zu den beliebtesten der zeitgenössischen Malerei. Das führte dann auch zu einer Aufwertung der Landschaftsbilder der Photographen und trug ganz entscheidend dazu bei, dass die Photographie als autonomen Kunstform gesellschaftlich akzeptiert und anerkannt wurde, auch wenn es noch Jahrzehnte lang Kritik und Ausgrenzung gab und ihnen der Zugang zu Kunstsalons und Museen noch lange verwehrt wurde.

1910 Autochrome, Sammlung Österreichische Nationalbibliothek, Wien © ÖNB / Kühn
Um die Jahrhundertwende wird die Photographie farbig und großformatig. Mit der Farbe, bis dahin ein Privileg der Malerei, überwindet die Kunst-Photographie die Einschränkungen der monochromen Wiedergabe, was ihr dann im 20. Jahrhundert völlig neue Perspektiven eröffnet.
In einem Raum der Ausstellung wird auch die technische Entwicklung der Photographie erläutert, neue Druckverfahren und Aufnahmetechnik gezeigt. Insgesamt präsentiert, Gastkurator Ulrich Pohlmann, langjähriger Leiter der Photographischen Sammlung München und anerkannter Spezialist für französische Photographie im 19. Jahrhundert,150 Aufnahmen von etwa 70 Photographen. Leihgaben kommen von 27 nationalen und internationalen Sammlungen, unter anderem vom Münchner Stadtmuseum, dem Photoinstitut Bonartes in Wien, dem Musée d‘Orsay sowie der Société Française de Photographie in Paris.
Die Ausstellung in Potsdam kann vom 12. Februar bis zum 8. Mai 2022 besucht werden.
Für alle, die keine Karten ergattern können oder für die der Weg nach Potsdam zu weit ist, seien die 360-Grad Tour – sowohl durch die aktuelle Foto-Schau als auch die Impressionisten-Sammlung von Hasso Plattner – oder auch die interaktive Führung durch die Ausstellung mit einem persönlichen Guide
empfohlen.
Quelle: www.keusch-reisezeiten.de