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Munch. Lebenslandschaft – Ausstellung im Museum Barberini

VonRedaktion

Nov 21, 2023

Von Katharina Zawadsky

Er war – wie man heute sagen würde – ein Workaholic, der norwegische Maler Edvard Munch. Man kann ihn auch besessen nennen. Mehr als 26.000 Werke hat er allein der Stadt Oslo vererbt, die ihm dafür inzwischen zwei Museen gebaut hat.

Ein kleiner aber ganz und gar nicht unbedeutender Teil davon ist nun nach Potsdam gereist und dort unter der Schirmherrschaft des norwegischen Königs und deutschen Bundespräsidenten in originaler Schönheit zu bewundern. Wobei man sogleich in einen Sog von Betroffenheit, Berührung und Faszination gerät, der einer so komplexen Ausstellung selten innewohnt.

Noch bis zum 1. April 2024 präsentiert das Museum Barberini in Potsdam die Ausstellung Munch. Lebenslandschaft. Dabei rückt erstmalig mit über 110 Gemälden, Holzschnitten und Lithographien die innige Verbundenheit des norwegischen Künstlers, der auch in Deutschland gelebt und gewirkt hat, in den Fokus. Zu den 21 Leihgebern gehören das MUNCH und das Nasjonalmuseet for kunst, arkitektur og design, Oslo, das Museum of Modern Art, New York, das Dallas Museum of Art, Texas, das Musée d’Orsay, Paris, die Finnish National Gallery, Helsinki, das Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, das Museum Folkwang, Essen, die Staatsgalerie Stuttgart und das Von der Heydt-Museum, Wuppertal.  

Edvard Munch (1863-1944) war einer der bedeutendsten Wegbereiter des Expressionismus. Seine Werke kreisen um die großen menschlichen Tragödien zwischen Eros und Tod. Er selbst war immer von schwacher Gesundheit, hatte Angst vor dem Tod und kämpfte zeit seines Lebens mit schweren Depressionen. Vielleicht gerade deshalb gelingen ihm eindringliche, ungemein intensive Darstellungen elementarer menschlicher Empfindungen. Eine ebenso wichtige Rolle wie das Interesse an den seelischen Dimensionen des Daseins spielte jedoch Munchs Faszination für die Natur. Mit der ihm eigenen Imaginationskraft und Sensibilität widmete er sich Naturmotiven, um den Platz des Menschen im kosmischen Kreislauf des Lebens zu ergründen. Die Darstellung von Landschaft in Munchs Werk wurde jedoch bislang kaum systematisch untersucht. Die Ausstellung Munch. Lebenslandschaft im Barberini erforscht nun erstmals die Bedeutung von Munchs Naturdarstellungen und hinterfragt gängige Vorstellungen.

In Edvard Munchs Zeit wandelte sich das Naturverständnis radikal. Unter dem Eindruck neuer Entdeckungen in Biologie, Physik, Medizin und Geologie wurde die Natur nicht mehr als etwas Statisches und Greifbares wahrgenommen, sondern als etwas Dynamisches, das ständig in Bewegung ist. Die Menschen entwickelten ein Bewusstsein für Prozesse, die für das bloße Auge unsichtbar sind – seien es langsame Veränderungen von großer Tragweite wie die Kontinentalverschiebungen und die Entwicklung der Arten oder das nur unter dem Mikroskop sichtbare Gewimmel der Bakterien. Die Grenzen zwischen Mensch und Tier, zwischen Pflanzen und Mineralischem verschoben sich, verschwammen und wurden zum Teil aufgehoben.

In vielen Werken setzte Edvard Munch diese lebendige, dynamische und sich wandelnde Natur ins Bild. Unwetter, Eingriffe des Menschen in die Natur sind ebenso Bildthemen wie sich bewegende Erdmassen mit vermenschlichten Zügen. Ineinander verschlungene Körper vereinigen sich mit der Erde. In einigen Bildern ließ Munch Mann und Frau schwerelos durch den Raum schweben. In einem Text beschrieb er dieses Sujet so: „Die Schicksale der Menschen sind wie die Planeten; sie begegnen sich im Raum, um sogleich wieder zu verschwinden.“ Auf diese Weise brachte der Künstler die Triebkräfte und Sehnsüchte des Menschen mit zyklischen, universalen Kräften in Zusammenhang.

Reflektiert werden dabei die künstlerischen, wissenschaftlichen und philosophischen Einflüsse seiner Zeit, die zu Munchs Naturverständnis beitrugen. Einerseits verstand Edvard Munch die Natur als sich zyklisch erneuernde Kraft, andererseits sah er sie als Spiegel menschlicher Empfindungen. Munch entwickelte ein pantheistisches Naturverständnis, das er auf die norwegischen Küsten und Wälder projizierte. Mit einer Motivik zwischen geschwungener Küstenlinie und Märchenwald, schneebedeckten oder vom Sturm getroffenen Landschaften, üppigen Gärten und dem entfesselten Spiel von Sonne, Luft und Wasser, eröffnet Munchs Werk vor dem Hintergrund aktueller Naturkatastrophen auch einen Resonanzraum für die heutige Klimakrise. 

Ausstellungsfotos: Ingrid Müller-Mertens

Für die Laufzeit der Ausstellung erweitert das Museum Barberini seine Öffnungszeiten: Von Mittwoch bis Sonntag hat das Museum bereits ab 9 Uhr geöffnet. Sonderöffnungszeiten an Feiertagen im Rahmen der Laufzeit bleiben bestehen. Für den Besuch empfiehlt es sich, online ein Zeitfenster zu buchen.

Parallel zur Potsdamer Schau widmet sich eine zweite Ausstellung Munch und Berlin: Edvard Munch. Zauber des Nordens in der Berlinischen Galerie (bis 22. Januar 2024).

Zum Besuch beider Ausstellungen bieten die Museen ein Kombiticket an.

Museum Barberini: https://www.museum-barberini.de/de/ausstellungen/9500/munch-lebenslandschaft

Berlinische Galerie: https://berlinischegalerie.de/

Von Redaktion